Mythos 6,25 Stunden Schlaf.
Ausschlaggebend für einen optimalen Schlaf sind nicht nur die Dauer und das Auftreten verschiedener Schlafphasen, sondern eben auch deren zyklische Wiederholung. Der Schlaf eines Erwachsenen beinhaltet optimalerweise vier bis fünf Schlafzyklen pro Nacht. Diese haben jeweils eine Länge von circa 90 Minuten. Damit kommen wir auf eine Gesamtmenge und Empfehlung von 7,5 Stunden reiner Schlafdauer. Seinem Körper acht Stunden für Schlaf zur Verfügung zu stellen, ist die grundsätzlichste Empfehlung. Ein Mythos, der sich hartnäckig in der Presse und in den Köpfen hält, sind 6,25 Stunden Schlaf aus einer Studie indogener Völker in Afrika und Südamerika. Was nicht näher erklärt wurde: Diese Völker halten Mittagsruhe und haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von knapp über 50 Jahren.
Chrono…was?!
Ein immer mehr ins öffentliche, medizinische und auch wirtschaftliche Interesse rückende Feld ist das der Chronobiologie. Chrono?! Chronos kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Zeit“. Die Chronobiologie ist also die zeitliche Organisation von physiologischen Prozessen und wiederholten Verhaltensmustern bei Organismen. Ein Beispiel hierfür ist der circadiane Rhythmus, der bereits Vielen ein Begriff ist.
1938 haben die beiden Forscher Kleitman und Richardson ein Experiment durchgeführt. Es war bekannt, dass Pflanzen trotz Lichtentzug ihre Blätter und Blüten in einem Tagesrhythmus öffnen und schließen. Diese innere Rhythmik wurde auch bei Menschen vermutet. Tatsächlich war nach 32 Tagen in einer völlig dunklen Höhle bewiesen, dass der Mensch eine innere Uhr besitzt – sie folgt nur nicht ganz genau der Tag-Nacht-Rhythmik der Erde. Durchschnittlich ist unsere Rhythmik elf Minuten länger, daher tauften sie die beiden auch „nur“ circadiane Rhythmik (circa ein Tag). Unser Hauptzeitgeber sitzt im Hirn und nennt sich SCN (nucleus suprachiasmaticus). Quasi jedes unserer Organe hat aber noch mal eine eigene Uhr. Alle diese Uhren werden durch den Tag-Nacht-Rhythmus des Lichts und der Ausschüttung von bestimmten Hormonen synchronisiert – zum Beispiel durch das heutzutage oft „Schlafhormon“ genannte Melatonin und seinen Gegenspieler Cortisol (Stresshormon). Hätte Melatonin einen menschlichen Charakterzug, wäre es ein recht introvertierter Zeitgenosse, der flüsternd zu verstehen gibt: „Du, es wäre dann jetzt langsam Zeit, schlafen zu gehen. Just sayin’.“
Nicht nur unser Schlaf-Wach-Rhythmus wird durch den SCN und seine Hilfsuhren gesteuert. Mittlerweile ist bekannt, dass unser Verdauungssystem inklusive Hunger- und Sättigungssteuerung, die Leber inklusive der Hormonproduktion, unser Hirn und vieles weitere einer Rhythmik folgt und damit empfänglicher und anfälliger auf Nutzen- und Störfaktoren reagiert. Verschiedene Schmerz- und Immuntherapien setzen auf diesem Wissen auf – beispielsweise bei der Terminierung von Operationen und Medikationen.
Jetlag ohne Langstreckenflug.
Außer dem circadianen Rhythmus wirkt ein weiterer Zeitgeber auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus: Die Adenosin-Homöostase. Keine Angst, niemand zwingt euch, das laut vorzulesen. Adenosin ist ein Botenstoff, der im Körper aufgebaut und kumuliert wird, sobald ihr aufwacht. Ist „zu viel“ davon vorhanden, kommuniziert er über Rezeptoren im Hirn, dass ihr einem gewissen Schlafdruck unterliegt. Adenosin hätte einen recht bestimmten Charakter und würde sagen: „Schlafen. JETZT!“.
Problematisch wird das Ganze, wenn euer Melatonin und euer Adenosin nicht mehr gleichzeitig Schlaf initiieren wollen. Das passiert, wenn ihr beispielsweise in Urlaub fliegt und mehrere Zeitzonen überspringt. Euer Adenosin sagt dann irgendwann, es sei dringend Zeit zu schlafen, obwohl es draußen noch hell ist und der Urlaubstag gerade erst begonnen hat. Euer Melatonin habt ihr dann unter Umständen schon längst übergangen und es entsteht eine Lücke zwischen beiden Mechanismen. Und hier habt ihr euren Jetlag.
Den gibt es übrigens auch ohne Urlaub. Mit jedem Mal, das ihr mit Freunden lange aufbleibt oder Nächte durchfeiert. Mit jedem Mal, das ihr noch todmüde früher aufsteht, weil die Kids schon wach sind. Mit jedem Mal, das ihr in Wechselschichtarbeit arbeitet. Welcome to social jetlag. Für das Verarbeiten jeder Stunde, die euer Tagesrhythmus verschoben wird, braucht euer Körper im Schnitt einen Tag. Ihr arbeitet in einer Woche von 13 bis 21 Uhr und in der Folgewoche von 6 bis 14 Uhr? Euer Tagesrhythmus wird um sieben Stunden nach vorne geschoben, was eine Anpassungszeit von einer gesamten Woche entspricht – bis euer Körper wieder klarkommt, arbeitet ihr vermutlich schon wieder eine andere Schicht. Zeit zu handeln. Für jeden Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
to be continued…
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